Göttingen // Danke für das Bild an Klaas Pegel
Als die Studenten noch lange Haare und Schlaghosen trugen, als sie noch auf die Straße gingen, um zu rebellieren, da durften Sportler abends einfach so in der Schwimmhalle trainieren. Ohne Anmeldung, Semestergebühr und Lichtbildausweis. Das war früher.
Heute gibt es Regeln.
Hecke Degering, 37, trainiert schon seit zwölf Jahren Unterwasserrugby in Göttingen. Er hat sein Studium inzwischen längst abgeschlossen, wie viele andere aus dem Team auch. Zum Training kommt er trotzdem noch zweimal die Woche, denn in Göttingen ist der Hochschulsport Unterwasserrugby mit dem normalen Vereinssport quasi fusioniert. Deswegen muss das Team zweimal im Jahr einen Obmann wählen, so will es die Sportordnung der Studierendenschaft der Georg-August-Universität Göttingen (SpO).
Paragraf 11, Absatz 4 fordert eine freie, gleiche, direkte und geheime Wahl. „Der Termin ist spätestens zehn Tage zuvor hochschulöffentlich anzukündigen. Über Beschwerden entscheidet der Sportausschuss.“
Der Obmann muss Geld beantragen für die Ausrüstung, er muss die Mannschaft für Wettkämpfe anmelden, er muss das Neujahrsturnier organisieren. Der Job sei eher unbeliebt, so drückt Hecke es aus. Wenn er dann jemanden überredet hat, soll der sich auch noch wählen lassen? Frei, gleich, direkt und geheim? Hochschulöffentlich angekündigt? Na gut.
Hecke schrieb also einen Zettel für das Schwarze Brett der Schwimmhalle:
„Obmenschwahl Unterwasserrugby
Am Freitag, den 1. Juni, findet die obligatorische, semesterliche Obmenschwahl statt. Und zwar um 21.15 in der heißen Sauna.
Wer vorhat, eine geheime Wahl zu fordern, bringe bitte Holzplättchen und Lötkolben mit.
Gegenkandidaten sollten sich im eigenen Interesse vorher bei mir melden, damit ich ihnen erklären kann, worauf sie sich da einlassen.“
Wie jeden Freitagabend nach dem Training saßen dann also 25 schwitzende Männer und Frauen in der Sauna, ohne Holzplättchen und Lötkolben, und hoben zwischen Aufguss zwei und Aufguss drei einmal die Hand. Nicht gerade geheim, dafür aber fast hundert Prozent Wahlbeteiligung. Ungültige Stimmen? Keine. Und beschwert hat sich bis heute auch niemand.
Nur der Obmann will im nächsten Semester nicht wieder antreten.